(In dieser Rubrik biete ich in loser Folge Gedanken und Geschichten an, an denen ich buchstäblich „hängen geblieben“ bin, weil sie mich anregten, nachdenken ließen, oft auch auf Dauer nachwirkten.)
„Every good piece of work should at least contain one perfect mistake“ [Auf Deutsch etwa:] „Jede gut gemachte Arbeit sollte wenigstens einen gelungenen Fehler enthalten.“
Hier ist die Geschichte zu dieser Bemerkung:
Psychologische Themen haben mich schon immer interessiert, weil sie mir für meine Praxis als Berater interessante Perspektiven eröffnen. In den 1990er Jahren nahm ich beispielsweise an einem Psycholog/innen-Kongress in Hamburg teil, und dort machte ich mit der zitierten Bemerkung Bekanntschaft.
Manche der bei dem Kongress vortragenden Psycholog/innen boten Live-Vorführungen an: Personen aus dem Publikum konnten sich melden, um als Klient/in auf offener Bühne eine ca. 15minütige, spontane Therapiesitzung in Anspruch zu nehmen. Bei einer dieser Live-Vorführungen hatte eine Frau, die als Simultan-Dolmetscherin für mehrere Sprachen arbeitete, den Mut, öffentlich ihr Problem zu schildern: Dass sie nämlich inhaltlich tadellos arbeite (was ihr immer wieder rückgemeldet werde), dass sie aber selbst damit hadere, welch „piepsige“ Stimme sie schon immer habe und was die Personen, denen sie sie via Kopfhörer sozusagen ins Ohr dolmetsche, dann wohl jeweils von ihr denken mochten.
Alle im Publikum konnten wahrscheinlich die beschriebene Diskrepanz nachvollziehen zwischen der individuellen, tatsächlich „piepsigen“ Tönung ihrer Stimme und ihrem Anspruch, als kompetente Dolmetscherin wahrgenommen zu werden.
In dieser Lage wären manche Lösungsvorschläge womöglich darauf hinausgelaufen, sie zu weiteren Stimmtrainings oder Ähnlichem zu ermutigen.
Der Therapeut hingegen setzte mit seiner Bemerkung „Jede gut gemachte Arbeit sollte wenigstens einen gelungenen Fehler enthalten“ konsequent auf Bestärkung und Ermutigung der Ratsuchenden, ihre Stimmlage zu akzeptieren, wie sie ist. Ihrer professionellen Qualität konnte sie sich ja gewiss sein, und der vermeintliche Fehler, mit dem sie hadert, ist Ihren Gegenübern (denen sie immerhin zusätzlichen sprachlichen Zugang zur Welt ermöglicht) durchaus zuzumuten – sie muss den Fehler dafür allerdings zunächst selbst annehmen können.
Für mich im Publikum war die Perspektive, dass in der guten Arbeit auch ein gelungener Fehler Platz haben darf, eine sehr praktische und entlastende Unterstützung der Ratsuchenden. Und auch bezogen auf mein Feld (ich bin ja kein Therapeut, sondern Organisationsberater und Coach) ist dies ein schönes Bild, wie man allein durch Akzeptieren eigener Begrenzungen – flankiert durch Vergewisserung über die eigenen Stärken – weiter kommen kann.